28 August 2022

Der geheimnisvolle Brunnen im Corte Lucatello

Eine verlassene Zisterne in einem unauffälligem Hinterhof von Venedig - Wer würde da schon eine rätselhafte Geschichte hinter vermuten? Doch bekanntlich wandeln viele Legenden durch die Gassen der geheimnisvollen Lagunenstadt... 

In diesem Artikel verrate ich euch, was man sich über den schlichten Brunnen erzählt! 



Im Sestiere San Marco, ganz in der Nähe der Ponte dei Bareteri, liegt der unscheinbare Hinterhof Corte Lucatello. Wie auf mehreren Plätzen Venedigs befindet sich auch hier eine Zisterne, die seinerzeit für den Bedarf der Anwohner angelegt wurde. In der Vergangenheit stellten solche Wasserbehälter oftmals die einzige Möglichkeit dar, an Trinkwasser zu gelangen. 


Vor etlichen Jahren herrschte in Venedig allerdings eine extreme Trockenphase. Viele Zisternen waren bereits versiegt, sodass die Venezianer aufgrund der Wasserknappheit dazu angehalten wurden, nur noch so viel Trinkwasser aus den Brunnen zu schöpfen, dass es gerade zum Überleben ausreichte. Der Unmut der Bevölkerung ließ nicht lange auf sich warten, Diebstahl und Prügeleien waren fortan an der Tagesordnung.
 

Ganz in der Nähe des Corte Lucatello lebte zu dieser Zeit ein Bootsmann mit seiner hochschwangeren Frau. Eines nachts wachte sie vor lauter Durst auf. Die kläglichen Vorräte waren allerdings längst aufgebraucht und so bat sie ihren Mann unter Tränen, ihr einen Schluck Wasser zu holen. Der Bootsmann zögerte nicht lange und machte sich mit seinem Eimer heimlich auf den Weg zu dem Brunnen. 

Als er den Hof erreichte, erschrak er: Am Rand der Zisterne saß ein Geist in Gestalt einer weiß gekleideten Frau. Starr vor Angst ließ der Bootsmann den Eimer fallen. Die Frau hob jedoch beschwichtigend die Hand. "Nicht vor mir solltest du Angst haben, sondern vor dem, was dir heute Nacht zustoßen wird. Wenn du nicht auf der Stelle umkehrst, wird dieser Platz mit deinem Blut befleckt." Der Bootsmann zögerte, dachte aber schmerzlich an seine durstige Frau.

So nahm er schließlich allen Mut zusammen und trat trotz der Warnung an den Brunnen. Während er den Eimer mit Wasser füllte, begann die weiß gekleidete Frau für ihn zu beten. Unruhig wie er war, bemerkte er den feindseligen Mann nicht, der in einer Ecke lauerte. Mit einem Messer bewaffnet sprang dieser im nächsten Moment aus der Dunkelheit und stach so lange auf den Bootsmann ein, bis er schwer verletzt zu Boden fiel.  
 
Als der Angreifer erkannte, dass es sich bei dem Opfer um den werdenden Vater aus der Nachbarschaft handelte, wurde ihm bewusst, was er getan hatte. Voller Reue wandte er sich um und rief um Hilfe. Die Geistergestalt nahm ihm daraufhin das Messer ab und ließ von der blutverschmierten Klinge drei Tropfen Blut in den Brunnen fallen. 
 
 
Kaum dass die rote Flüssigkeit den Grund erreichte, stieg plötzlich so viel Wasser in der Zisterne auf, dass sie überlief. Der Geist versicherte, dass es von nun an genügend Wasser für alle geben würde. 
 
Schnell tränkte der Angreifer sein Taschentuch mit dem sauberen Brunnenwasser und reinigte damit die Wunden des Bootsmannes. Wie von Zauberhand heilten sie bis auf den letzten Kratzer ab. Bevor die beiden Männer der mysteriösen Frau danken konnten, hatte sie sich bereits in Luft aufgelöst. 

 
 
Dem venezianischen Glauben nach wurde die Frau in Weiß einst von ihrem Geliebten umgebracht. Um den Mord zu vertuschen, soll er ihre Leiche in die dicken Steinwände des Brunnens eingemauert haben. In dunklen Neumondnächten kann man den Geist der armen Frau angeblich heute noch im Corte Lucatello sehen. 


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