Im letzten Artikel habe ich bereits darüber geschrieben, dass jeder Reiseleiter werden kann.
Wie versprochen erfahrt ihr nun alles über das Reiseleiter-Seminar von Travel to life, das ich vom 25.01. - 29.01.2017 in Freckenhorst besucht habe!
Tag 1
Wo zum Teufel liegt Freckenhorst... frage ich mich, während ich über die A 43 in Richtung Münster fahre. Je näher ich dem knapp 8.000-Seelen-Ort komme, desto mehr Klinkerbauten, Wälder und Windräder ziehen an mir vorbei.
Nach einer guten Stunde erreiche ich die Landvolkshochschule, in der ich die nächsten 5 Tage verbringen werde. Viele Fragen beschäftigen mich: Wie werden die anderen Teilnehmer sein? Werde ich das beigebrachte Wissen verinnerlichen können oder nur "Bahnhof" verstehen? Und mit welchem Gefühl werde ich am Sonntag nach Hause fahren? Ich bin ganz schön nervös.
Als ich mein Zimmer beziehe, legt sich die Aufregung allmählich. Die Einrichtung erinnert mich ein wenig an die damaligen Schulausflüge in die Jugendherberge.
Kurze Zeit später stehe ich vor dem Seminarraum und trete von einem Fuß auf den anderen. Dennis Hartke, Seminarführer und Reiseleiter, begrüßt uns und schließt den Raum auf. Ich setze mich an einen freien Platz im vorderen Bereich.
Nach und nach füllt sich der Raum, alle mustern sich neugierig. Als die Vorstellungsrunde beginnt wird mir klar, dass es überhaupt keinen Grund zur Aufregung gibt, denn wir sind alle aus dem selben Grund hier: Wir lieben das Reisen und wollen den tristen Alltag gegen eine bunte Welt tauschen, in der wir uns überall zuhause fühlen können. Dann bin ich an der Reihe. "Hallo, ich bin Nina. Ich komme aus dem nicht so schönen Gelsenkirchen und mein Herz schlägt für Italien". Puh, das wäre geschafft. Als ich an meine Nachbarin abgebe, atme ich erleichtert aus.
Unterbrochen von einigen Pausen, in denen wir die mitgebuchte Vollpension vollends ausnutzen, sitzen wir an diesem ersten Kurstag bis 20:30 Uhr im Seminarraum und saugen das vermittelte Wissen wie ein Schwamm auf. Wir beginnen mit einfachen Dingen wie z. B. den Unterschieden zwischen den Bezeichnungen "Reiseleitung", "Reiseführung" und "Reisebegleitung", besprechen die Aufgaben der Reiseleitung und gehen sämtliche Vorbereitungen für die Touren durch. Anschließend versammeln wir uns in die Keller-Bar, um uns etwas näher kennenzulernen. Es wird ein unterhaltsamer und lustiger Abend.
Tag 2
Mein Wecker klingelt um 7:00 Uhr. Im ersten Moment weiß ich überhaupt nicht, wo ich bin. Dann erinnere ich mich und plötzlich bin ich hellwach. Nach dem Duschen laufe ich die zwei Etagen zum Speisesaal hinunter, wo ich mich mit einem prall gefüllten Frühstücksteller an den extra für unseren Kurs reservierten Tisch setze. Ich werde hier mindestens 3 Kilo zunehmen, geht es mir durch den Kopf, während ich in mein Brötchen beiße.
Um 9:00 Uhr startet das Seminar mit Methoden und Zielen der Wissensvermittlung. Die Zeit rennt und ehe ich mich versehe, esse ich schon wieder. Diesmal gibt es Kuchen und Plätzchen.
Im Anschluss besprechen wir, wie man einen Rucksack für die Wanderung packt und wie sich Höhenmeter berechnen.
Der erste Schock lässt nicht lange auf sich warten: Wir sollen eine Begrüßungsrede vorbereiten und diese vor allen Teilnehmer*innen vortragen! Hierfür rücken wir die Stühle so zurecht, dass es einem Reisebus ähnelt. Anschließend hofft jeder, nicht beginnen zu müssen.
Irgendwann bin ich an der Reihe. Anstatt der empfohlenen 3-4 Minuten bringe ich es auf sagenhafte 55 Sekunden und bin froh, als ich es hinter mir habe. Das positive Feedback der anderen Seminarteilnehmern überrascht mich.
Nachdem wir wieder mal etwas gegessen haben, steht nun Reiserecht auf dem Plan. Wie ist eine Reiseausschreibung aufgebaut? Was muss zwingend hinein und was bedeutet dies für die Reiseleitung? Wir erfahren außerdem, welche Rechte und Pflichten Reisegast und Reiseleitung haben und lachen über die Anekdoten aus Dennis' Gruppenreisen.
Um 18:00 Uhr ist der Kurstag zuende und wir gehen - wohin auch sonst - zum Essen. Anschließend laufen wir gemeinsam zum Ortskern und kehren in eine alte Spelunke ein. Wir verbringen die nächsten Stunde in gemütlicher Runde. Gespannt lausche ich den vielen Geschichten der anderen. Es ist faszinierend, wie schnell eine Gruppe als solche zusammenwachsen kann.
Tag 3
Heute geht es um Konfliktmanagement. Es wird Rollenspiele und lautes Geschrei in dem friedlich klingenden Seminarraum "Teichblick" geben. Innerlich bete ich, nicht teilnehmen zu müssen! Seminarleiter Dennis grinst in die Runde und beruhigt uns: "95 % der Arbeit bringen Freude und Spaß mit sich"! Nur für den Fall der verbleibenden 5 % sollen wir sicherheitshalber gewappnet sein.
Zwischendurch gibt es immer wieder Essenspausen. Mit Plätzchen und Kuchen versuchen wir nun, den Schock der Rollenspiele zu verarbeiten. Im weiteren Verlauf des Seminares lernen wir die unterschiedlichen Charaktere von Reisegästen kennen, spielen verschiedene Situationen durch und bekommen ein wenig Nachhilfe in Rhetorik.
Am Ende des Seminares folgt die große Herausforderung: Wir erhalten unsere Aufgabe für den nächsten Tag, die darüber entscheiden wird, ob wir das heiß begehrte Zertifikat erhalten.
Die Aufgabe ist umfangreich, muss gut geplant und durchstrukturiert werden. Sie beinhaltet unter anderem einen Vortrag und ich möchte auf der Stelle anfangen zu heulen. Bis zwei Uhr nachts sitze ich an den Vorbereitungen für mein Thema, damit am nächsten Tag bloß nichts schief geht!
Um 3:00 Uhr nachts liege ich immer noch wach und spiele alle möglichen Katastrophenfälle im Kopf durch. Ich habe Angst, einen Blackout zu bekommen.
Tag 4
Strahlender Sonnenschein erwartet uns an diesem Morgen. Unsere Wanderung beginnt um 8:15 Uhr und führt in die knapp 7 Km entfernte Nachbarstadt Warendorf und anschließend am Abend wieder zurück zur LVHS.
Klingt im ersten Moment nicht unbedingt schwierig. Die Tour wird jedoch bis 17:30 Uhr andauern und alle 17 Teilnehmer dazu bringen, über ihren Schatten zu springen und sich souverän vor der Gruppe zu präsentieren. Hier sind nicht nur Zeit und Selbstmanagement gefragt sondern auch Führungsverantwortung und Selbstsicherheit. Das kann ja was werden...
Unterwegs lernen wir viele interessante Hintergründe zu den umliegenden Gebäuden und Ortschaften kennen, besichtigen Kirchen und lernen alle paar Meter etwas dazu. Unterwegs kehren wir in einem Café ein und nutzen die Mittagspause, um unsere Schmierzettel noch einmal zu verinnerlichen.
Es ist etwa 17:10 Uhr, als ich an der Reihe bin und die Gruppe das letzte Stück zurück zur Landvolkshochschule durch den Wald führe. Aufgeregt beginne ich mit meinem Vortrag und bemühe mich, meine zitternde Stimme in den Griff zu kriegen. Irgendwann habe ich es geschafft und möchte vor Erleichterung laut schreien.
Insgesamt neun Stunden sind vergangen, als wir die LVHS wieder erreichen. In dieser Zeit haben wir tatsächlich 18,7 Kilometer zurückgelegt! Alle sind erschöpft und glücklich zugleich, denn kurze Zeit später werden die ersehnten Reiseleiterzertifikate gefolgt von O-Saft und Sekt verteilt. Ungläubig starre ich auf das Blatt Papier in meinen Händen. Hiermit könnte ich mich jetzt bei Reiseveranstaltern bewerben! Gedanklich sehe ich mich schon mit einer Gruppe durch Bella Italia laufen.
Unseren Erfolg feiern wir anschließend gemeinsam in der Kellerbar. Die vorherige Anspannung ist auf einen Schlag verflogen. Es wird wieder 01:30 Uhr, ehe ich auf mein Zimmer gehe und schlafe wie ein Stein.
Tag 5
Der letzte Tag des Seminars ist angebrochen. Ich kann gar nicht glauben, wie schnell die Zeit in Freckenhorst vergangen ist. Müde schleppe ich mich zum Frühstück und anschließend zum Unterricht. Heute erhalten wir interessante Infos, Daten und Fakten zum Leben einer Reiseleitung. Was muss man steuerlich beachten, wie überbrückt man die Monate außerhalb der Reisesaison und was verdient man überhaupt?
Als wir um 12:00 Uhr beim Mittagessen sitzen, macht sich Wehmut breit. Unsere Gruppe ist in den letzten Tagen so zusammengewachsen, dass es nun keiner so richtig eilig hat, nach Hause zu fahren. Eine Stunde später liegen wir uns alle in den Armen und freuen uns auf unsere eigene WhatsApp-Gruppe, über die wir Kontakt zueinander halten können. Dennis überreicht mir Unterlagen für eine Reise zu den liparischen Inseln. "Kannste dir ja mal anschauen, ob das was für dich wäre!" Geistesabwesend greife ich nach den Unterlagen und weiß nicht, was ich sagen soll.
Anstatt direkt nach Hause zu fahren, drehen einige von uns noch eine Runde durch den angrenzenden Wald. Als ich wenig später zum Auto laufe, entdecke ich eine Visitenkarte: "Travel to life, Dennis Hartke". Ich muss schmunzeln, stecke die Karte ein und fahre los.
Die Sonne scheint, ich blinzle ihr entgegen und schaue dem Segelflugzeug hinterher, dass über die Autobahn hinweg fliegt. Was mache ich nun, frage ich mich und begreife erst in diesem Moment so richtig, was mir nun für Chancen offen stehen. Ich muss mich beherrschen, vor Euphorie nicht loszuheulen und spüre mein Herz schneller schlagen. Es ist unglaublich, wie fünf Tage ein Leben verändern können!
In diesem Sinne bedanke ich mich ganz herzliches bei der gesamten Gruppe! Es hat unglaublich viel Spaß gemacht! Ganz besonders möchte ich mich bei Jürgen bedanken, der mir die Wanderkarte auch beim 100. Mal noch seelenruhig erklärt hat! Ebenfalls freue ich mich sehr, Nathalie von Nathalieontour.ch kennengelernt zu haben, wir haben so viele Gemeinsamkeiten! Caro, Barbara, Carla und Silke - Ihr habt mich mit eurer herzlichen Art so oft zum Lachen gebracht, vielen Dank!
Last but not least natürlich ein riesiges Dankeschön an unseren Seminarleiter Dennis Hartke: Danke für die lehrreichen und amüsanten Tage, die Geduld hinsichtlich unserer manchmal nicht enden wollenden Fragen und das großartige Jobangebot!
Voll schön - danke Dir und danke für den Link :-) you rock!
AntwortenLöschenVoll toll zu lesen liebe Nina.Es war richtig spannend ,deinen Erzählungen von Tag zu Tag zu folgen ;)
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